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Ocasio-Cortez auf der Met-Gala: Frau und Steuer, das wird teuer

Auf ihrem Kleid forderte die Politikerin Alexandria Ocasio-Cortez bei der Met Gala, Reiche zu besteuern. Ob sie dafür kritisiert und gefeiert wird: Sie gewinnt.


Erschienen am 19. September 2021 in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung


Alexandria Ocasio-Cortez geht es ums große Geld. Das große Geld, das einige wollen und wenige haben. Und das unter vielen, wenn es nach ihr ginge, gerecht verteilt werden sollte. Denn diesen vielen fehle es an fast allem: Wohnraum, Absicherung, Per­spektiven. Also kämpft die New Yorker Politikerin dafür – und zwar mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln.


Vor drei Jahren, als sie das erste Mal für das Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten kandidierte, erklärte sie: „Das große Geld, das kann man nicht mit noch mehr Geld bezwingen.“ Man müsse diejenigen, die es besitzen, „in einem völlig anderen Spiel schlagen“. Das sagte sie, weil sie gerade mal 200 000 Dollar für ihre Kampagne hatte sammeln können (zum Vergleich: ihr Konkurrent hatte 3,4 Millionen mobilisiert). Trotzdem gewann sie. Als sie im vergangenen Jahr erneut antrat, hatte sie 17,3 Millionen Dollar für den Wahlkampf eingesammelt.


Wie funktioniert also das Spiel, in dem sie scheinbar so unschlagbar gut ist? Das hat sie auf der diesjährigen Met Gala in New York gezeigt. Ein Event im Metro­politan Museum of Art, organisiert von der Vogue, bei dem AOC zum ersten Mal zu Gast war – und das so exklusiv ist, dass ein Ticket 30 000 Dollar kostet (ohne Tischplatz und Essen). Unvorstellbar für eine Politikerin wie Ocasio-Cortez – die so kompromisslos ihre Meinung vertritt, so bestechend spricht und sich dazu ihrer Wirkung so bewusst ist –, sich auf solch einer Gala im Hintergrund zu halten und die Aufmerksamkeit den Schauspielerinnen und Popstars zu überlassen, um dann bei Wassermelonentarte mit geräucherter Yuzu-Soja auf Panipuri-Cracker (das gab es in diesem Jahr) ihrem Tischherrn die linke Kante zu zeigen.


Nein, Ocasio-Cortez wandte lieber den Kameras ihren Rücken zu, sodass die Fotografen besonders viele Fotos von den scharlachroten Buchstaben schießen konnten, die auf ihr Outfit gestickt waren: „Tax the Rich“ stand da auf dem weißen Kleid, das aussah, als wären eine Kellnerinnen-Uniform und 50er-Jahre-Robe zusammengeschneidert worden. Elegant, aber weder stylish noch innovativ. Besteuert die Reichen: Auch die New Yorker Demokratin Carolyn Maloney forderte auf ihrer Schleppe „Equal Rights for Women“, das klang im Vergleich fast schon kleinlaut.


Man könnte versuchen, die einfachen Imperative damit zu verzeihen, dass das Motto der Gala „In America: A Lexicon in Fashion“ hieß. Allerdings spielten sie zu sehr auf die Slogan-Outfits der Rocksängerin Joy Villa an, die weniger bekannt für ihre Musik ist als für ihre Roben bei den Grammys: „Build the Wall“, „Make America Great Again“, „Pro Life“ stand darauf. „Das Medium ist die Botschaft“, erklärte Ocasio-Cortez nach der Gala noch mal auf ihrem Instagram-Profil.


Und dass sich dann die Republikaner über sie lustig machten und als Heuchlerin diffamierten, das alles konnte ihr ziemlich egal sein. Auch dass Demokraten sie wiederum für den Akt, sich mit so einer Botschaft mitten unter Multimillionäre zu begeben, feierten. Dass Konservative sich bestätigt fühlten, dass man sich dem Geld nicht entziehen kann, wenn man an der Macht ist, aber Linke sich verraten sahen, weil sich ihre Ikone damit dem Joch dieser Macht unterworfen habe. Und auch, dass wieder all die Fragen aufkamen, was man als Sozialistin im Kapitalismus denn nun alles tragen, sagen, mit wem man befreundet sein oder ob man solche Partys besuchen darf.


Denn Alexandria Ocasio-Cortez war, wie alle anderen wichtigen New Yorker Politikerinnen und Politiker auch, auf Kosten der Veranstalter eingeladen gewesen und hatte einfach ein Kleid mit vermeintlich subversiver, aber schließlich doch auch nicht neuer Botschaft getragen. In den sozialen Medien tobten sich ohnehin längst diejenigen, die das interessierte, mit Memes und Argumenten aus. Und damit hatte sie bereits gewonnen.


Wenn auch nicht ganz fair. Nicht weil Ocasio-Cortez sich bereitwillig mit ins Schlaglicht der Unterhaltungsbranche gestellt hatte. Sondern weil sie ihre Begleitung, Aurora James, die ihr Kleid entworfen hatte, betont als „black woman immigrant designer“ vorstellte.


Das ist zwar faktisch nicht falsch, aber doch verzerrt es, wen diese Designerin repräsentiert sollte: eine schwarze Immi­grantin, eine Identität also, mit der es in den Vereinigten Staaten schwer ist, sich etwas aufzubauen – und die es trotz aller Widerstände dennoch zur Met Gala geschafft hatte. Dass James aber ein ehemaliges Model aus dem kanadischen Mittelstand ist, eine Frau, die Modedesign und Journalismus studiert hat, also nicht unbedingt eine der vielen ist, unter denen AOC die Steuern der Superreichen aufteilen würde, das ließ die zweckmäßig unter den Tisch fallen. Politik bedeutet auch, die Dinge auch mal zu den eigenen Gunsten zu drehen. In jedem Moment absolut integer wirken zu wollen, um damit seine eigene Glaubwürdigkeit zu beteuern, kann auch den gegenteiligen Effekt erzeugen.


Letztendlich können Alexandria Ocasio-Cortez wohl auch diese Überlegungen egal sein. Eine Politikerin wie sie, davon gibt es nicht viele. Man muss nicht mal von ihren Argumenten, ihren Idealen oder ihrer Person überzeugt sein, um zu erkennen: Keine spielt das Spiel wie sie.


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