Touristenströme, Bevölkerungswachstum, Klimawandel: Berlins Parks leiden unter immer größeren Belastungen. Den Sommer aber will sich niemand verderben lassen.
Erschienen am 14. Juni 2019 in der Frankfurter Allgemeinen Woche 25/2019
Sommerzeit bedeutet Parkzeit, was in Berlin besonders schön ist, weil die Hauptstadt reich an grünen Flächen ist. Doch um genau diese Flächen ist nun eine Debatte entbrannt: Wenn immer mehr Einheimische und Touristen die Parks strapazieren,sollte man diese dann nicht besser schützen – und zwar mit politischen und juristischen Mitteln? Schließlich macht sich auch dort der Klimawandel bemerkbar. Pankows Bürgermeister Sören Benn (Linke) sagte, dass die natürlichen Belastungen des Stadtgrüns aufgrund klimatischer Veränderungen und extremer Wetterlagen deutlich zugenommen hätten.
Zugenommen haben aber auch die Besucherzahlen, vor allem im Mauerpark im Stadtteil Prenzlauer Berg. Dort, wo zu DDR-Zeiten der Todesstreifen verlief, treffen sich seit Jahrzehnten jeden Sonntag Stadtbewohner wie Touristen, um Gebrauchtes zu kaufen, Straßenmusikern zuzuhören oder beim Karaoke selbst zu singen. Was in den Reiseführern als einer der ersten Anlaufpunkte für das Berliner Leben gepriesen wird, ist für den Bezirk zu einem Problem geworden. Die vielen Besucher hinterlassen nicht nur ihren Müll, im Kiez häufen sich auch die Beschwerden über die Beschallung, die von den vielen Musikern und den Karaoke-Sängern verursacht wird.
Als Gegenrezept schlug das Tourismuskonzept Pankow 2018+, das die BTE Tourismus- und Regionalberatung vorgelegt hatte, vor, für den Park Eintritt zu verlangen: so könne man den Park nicht nur besser unterhalten und Besucherströme kontrollieren, sondern die Gebühr auch mit Rabatten für Kiez-Geschäfte verbinden. Alexander Puell ist Vorsitzender des „Freunde des Mauerparks e. V.“, lebt seit mehr als 20 Jahren neben dem Park und findet diese Idee untragbar: „Der Mauerpark ist ein Ort der Begegnung, und zwar unabhängig vom Geldbeutel und davon, ob man aus Berlin kommt oder aus einem anderen Ort der Welt“, sagt er. Vor dem geschichtlichen Hintergrund dieses Ortes wolle man zudem keine Einzäunungen. Genauso wenig wie eine Lärmschutzwand: „Hier wieder von Wänden und Mauern zu sprechen ist schwierig.“
Es gibt aber den Vorschlag seitens der Musiker, die sich in der Initiative „Save Mauerpark“ zusammengeschlossen haben, sogenannte „Acoustic Shells“ zu installieren – Lärmschutzmuscheln, in denen musiziert werden könnte: „Bisher ist das nur Theorie, wir würden das aber gerne als Pilotprojekt ausprobieren“, so Puell. Einen Eintritt wird es vorerst nicht geben. Wie Sören Benn gegenüber dem RBB beteuerte, handle es sich bei dem Tourismuskonzept lediglich um Vorschläge und nicht um Beschlüsse. Stattdessen gibt es aber seit Ende Mai neue Regeln, auf die mit Flyern und Parkläufern hingewiesen wird. Puell erhofft sich daraus Besserung: „Die kommenden Monate werden wir beobachten, wie das funktioniert. Wir hoffen, dass es dadurch für die Anwohner eine Linderung gibt.“
Im Westteil der Stadt sorgt derweil der beliebte Essensmarkt „Thai-Wiese“, auch „Thaipark“ genannt, im Preußenpark für Konflikte. Was als familiäres Picknick-Treffen begann, entwickelte sich im Lauf der vergangenen 25 Jahre zu einem Verkaufsmarkt für authentische asiatische Spezialitäten, der fest zum Wilmersdorfer Stadtbild gehört. Offiziell genehmigt wurde er aber nie. Exemplarisch steht er dafür, wie die organisch sich entwickelnde Nutzung eines kleinen Parks den Charme eines Kiezes ausmachen und ihn gleichzeitig belasten kann: Denn der starke Essensgeruch und die Tiere, die von Resten angezogen werden, stören viele Anwohner; manche kritisieren, dass der Rasen durch das Markttreiben zerstört werde. Das Ordnungsamt stört sich vor allem an dem nicht angemeldeten Gewerbe und mangelnden Hygienevorschriften. Deshalb wurde Anfang des Monats der Aufbau der kleinen Stände verhindert. Am nächsten Tag aber wurden sie wieder aufgebaut. Durch die steigende Einwohnerzahl Berlins werden im Sommer besonders Grünflächen wie der Volkspark Friedrichshain belastet.
Bei schönem Wetter treffen sich hier vor allem Studierende und Familien, es wird gepicknickt und gegrillt. Neben der Brandgefahr belasten solche teilweise im großen Stil gefeierten Grillpartys besonders die Luft: So sorgten zwölf ganze Schafe auf batteriebetriebenen Elektrogrills und 150 Gäste nach Ostern für Rauchschwaden, verbrannten Rasen und deutschlandweit für Schlagzeilen. Solche Vorkommnisse sind Ausnahmen, doch sie zeigen, dass es ganz ohne Regeln schwierig werden wird, die Parks als Parks und gleichzeitig als Erholungsorte für Menschen zu schützen. Strittig ist, inwieweit die Politik dem Parkleben Grenzen setzen soll. Berliner Lebensstil Besonders scharf wird der Streit darübe im Fall des Görlitzer Parks in Kreuzberg ausgetragen, der seit langem von zahlreichen Drogendealern genutzt wird.
Denen begegnet Anna Preg tagtäglich. Die Studentin wohnt seit fast zwei Jahren am Görlitzer Park. Auf dem Weg zur Universität und zu ihrem Nebenjob durchquert sie ihn mehrmals am Tag: „Tagsüber geht das noch, obwohl die Dealer da auch mittags stehen. Ab zehn Uhr abends laufe ich da aber gar nicht mehr durch.“ Seit Anna einmal fast angegriffen wurde, ist sie noch vorsichtiger geworden: „Ich wurde wie immer angequatscht, der Typ hielt mich dann aber fest und wollte mich ins Gebüsch ziehen. Ich konnte mich befreien und weglaufen.“ 2018 gab es laut Polizei im Görlitzer Park 182 Körperverletzungen. Um den Park sicherer zu machen, wurden Wege asphaltiert, Leuchten installiert, vor Jahren wurde erfolglos eine nächtliche Absperrung verlangt, doch trotz wiederholter Razzien lassen sich die Dealer nicht vertreiben.
Im Mai dieses Jahres versuchte der Park-Manager schließlich, dem Problem mit „Dealer-Zonen“ zu begegnen: er grenzte mit rosa Farbe Bereiche ein, in denen sich die Dealer aufhalten und so die übrigen Parkbesucher nicht mehr belästigen sollten. Die rosa Linien hat auch Anna bemerkt: „Da stand natürlich niemand drinnen. Die Dealer drängen sich sowieso immer an den Eingängen, so dass man gar nicht in den Park kommt, ohne angesprochen zu werden. Ein paar fahren sogar mit Fahrrädern herum, um die anderen Dealer schneller zu warnen, sobald die Polizei kommt. Die sehen da keine Grenzen.“ Mittlerweile sind die Linien wieder verschwunden. Sosehr das Laissez-faire die Menschen in die Grünflächen zieht, so sehr ist es zum Imageproblem geworden, bei dem sich gefragt werden muss, ob striktere Regelungen den „Berliner Lifestyle“ wirklich untergraben oder ihn nicht doch vor sich selbst schützen.