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Hannah Gadsbys 'Douglas': Bitte nicht klatschen!

Aktualisiert: 28. Juli 2020

Die australische Comedian Hannah Gadsby wollte nie wieder auftreten. Jetzt ist ihre neue Comedyshow auf Netflix zu sehen.


Erschienen am 31. Mai 2020 in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung


Es hätte ihr letzter Auftritt sein sollen, im Juli vor zwei Jahren in Montreal. „Es ist Zeit“, erklärte Hannah Gadsby mitten in ihrer Show „Nanette“, „es ist Zeit, dass ich mit Comedy aufhöre. Die Anspannung macht mich krank.“ Die Anspannung, von der sie sprach, war dabei doppeldeutig gemeint, denn im Englischen heißt es „tension“ – Spannung, Anspannung, Verspannung. Comedy, so Gadsby, lebe von Spannung, eine gute Pointe ist ein Ventil.


Was ihrer Comedy dafür diente, war allerdings eine Wut über all die Dinge, die sie als autistische, queere, lesbische Frau ertragen musste. Ihre Shows, so dachte Gadsby, seien ein gutes Ventil – aus dem Schlimmen etwas Gutes machen, aus dem Trauma einen Witz. Darauf hatte sie nun aber keine Lust mehr: Denn es ist nicht witzig, bedroht, verprügelt und vergewaltigt zu werden. Was sie erlebte hatte, war kein Witz, denn der besteht nur aus zwei Teilen: „Aufbau und Pointe. Im Prinzip ist ein Witz eine Frage mit einer überraschenden Antwort.“ Sie wollte aber ihre Geschichte erzählen, und die braucht bekanntlich einen Schluss. Also war Schluss.


Die Show war danach jedoch auf Netflix zu sehen, und Gadsby wurde zur Ikone queerer Menschen. Daher überraschte es nicht so ganz, dass die Australierin im vergangenen Jahr doch wieder auf Tour ging. „Douglas“ (benannt nach ihrem Hund und einem weiblichen Körperteil, das wiederum nach einem Mann benannt wurde) ist wieder auf Netflix zu sehen, und Gadsby stellt das gleich zu Beginn in Frage: „Wenn ihr wegen ,Nanette‘ hier seid, habe ich eine Frage: Warum?“ Ja, warum – denn wie gewichtig ist ein Schlussstrich überhaupt, wenn man nur ein Jahr später wieder auf der Bühne steht? „Was erwartet ihr? Noch mehr Trauma? Vergesst es!“


„Douglas“ versucht erst gar nicht, das Pathos der letzten Show zu erreichen, bricht dafür aber wieder die Regeln: Gadsby sagt genau an, was in der nächsten Stunde passieren wird: „Ich sag euch, wie ich eure Erwartungen erfüllen kann. Ich passe sie jetzt für euch an.“ Das funktioniert vor allem deshalb gut, weil sie weiß, wer ihr Publikum ist („reiche, weiße Frauen“) und wer ihre Feinde sind (heterosexuelle Männer?), ihre „Hater“: „Bitte nicht angegriffen fühlen. Es sind nur Witze. Denkt an die goldene Regel der Comedy, die besagt: Wenn du zu einer Minderheit gehörst, bist du egal. Gebt mir nicht die Schuld. Ich hab sie nicht geschrieben. Männer haben sie geschrieben. Gebt ihnen die Schuld. Ich mach das auch. Kathartisch!“


Streitbaren Themen – ihrem Autismus, vorurteilsvollen Ärzten, falsch erzogenen Jungs, Impfgegnerinnen, besserwisserischen Golfern – nimmt sie so den Wind aus den Segeln. Für besagte „Hater“ baut sie immer wieder hübsche Sätze ein, an denen sie sich dann aufhängen dürfen: „Wenn wir ,So sind Jungs eben‘ sagen, dann bereiten wir sie nicht auf das Leben vor. Wir sagen das, damit wir sie nicht zur Rechenschaft ziehen müssen. Das machen wir lieber mit Frauen.“ Damit weist sie aber auch ihr eigenes Publikum zurück: „Nicht klatschen! Es ist ein Köder, ihr Idioten! Nicht anbeißen. Der ist nicht für euch!“ Sie führt also auch ihre Fans vor: Nicht alles, was griffig ist, wird auch den Realitäten gerecht.


Denn das war es, was „Nanette“ so einschneidend machte: Gadsby verweigerte sich dem, was sie als falsch in der Comedyszene erkannte, dass Pointen nämlich vor allem funktionieren, weil sie verkürzen. Damals wurde sie dafür hoch gelobt und enorm angefeindet: Das sei keine Comedy, das sei eine Vorlesung, ein Monolog, eine „One-Woman-Show“, und überhaupt, wer sei sie eigentlich.


Diese Kritik setzt sie in „Douglas“ um: Kurzerhand gibt sie eine kunsthistorische Vorlesung (sie hat einen Abschluss in diesem Fach), fragt sich, wo eigentlich die ganzen Frauen waren, als Raffael „netterweise all die Männer malte, die alles benannt haben“ (Antwort: Sie tanzten meist nackt und zu dritt in Vorgärten herum), hält einen Monolog darüber, wie schwierig es sein kann, Präpositionen als autistisches Kind zu lernen („Wie meinen Sie das, liebe Lehrerin, wie ich zu einer Kiste stehe?“), und schließt: „Klar ist das eine ,One-Woman-Show‘!“


Am Ende moderiert sie „Douglas“ mit weiteren Gemälden des weiblichen Geschlechts etwas halbherzig ab, aber das hatte sie ja auch angekündigt. Es braucht hier keinen bedeutungsvollen Schluss, wie bei „Nanette“. Sie fängt, glücklicherweise, gerade erst wieder an.

 
 

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