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Kurzporträt über Beate Uhse: Die Pionierin

Die meisten kennen ihren Namen, denn sie gründete den ersten Sexshop der Welt. Dabei wäre sie ohne den Krieg vermutlich einer anderen Leidenschaft treu geblieben: der als Sportpilotin.


Publiziert in Craftrad Printausgabe “Pain & Glory” über Ikonen der Motorradkultur 3/2016


98 Prozent der Deutschen kennen ihren Namen. Zu verdanken ist das dem von ihr gegründeten Versandhaus: Beate Uhse. Das entstand aus dem ersten Sexshop der Welt,

den sie 1962 in Flensburg eröffnete – und im Zuge ihrer Erfolgsgeschichte zur Wegbereiterin einer offeneren Gesellschaft machte. Ob all dies eingetreten wäre, hätten die Alliierten den Deutschen nach Kriegsende nicht das Fliegen verboten?


Denn Beate Uhse hatte bis dahin vor allem eine Leidenschaft: durch die Lüfte zu gleiten.

Bereits 1936 erwirbt sie im Alter von 17 Jahren als einziges Mädchen unter 60 weiteren Mitstreitern den Flugschein. Dass sie als Pilotin Karriere machen möchte, steht für sie

schnell fest. Bei der Ausbildung zur Kunstfliegerin lernt sie Hans-Jürgen Uhse kennen (er ist ihr Fluglehrer), den sie knapp drei Wochen nach Kriegsbeginn heiratet.


Als Sportpilotin macht sie sich einen Namen und wird im Krieg vom Flugzeugbauer Bücker angestellt. Auf ihr Talent wird man auch im Filmgeschäft aufmerksam: Ihr Arbeitgeber

empfiehlt sie wegen ihres Könnens und ihrer geringen Körpergröße als Stuntdouble der UFA. Und so war es Uhse, die beispielsweise im Film "Achtung! Feind hört mit!" das Flugzeug in der Luft hielt, während René Deltgen als vermeintlicher Pilot hinter ihr den Steuerknüppel bediente.


1941 wechselt sie zur Firma Alfred Friedrich Strausberg, überführt Flugzeuge für die Wehrmacht an die Front und steigt zum Dienstgrad des Hauptmanns auf. Im Jahr vor

Kriegsende stürzt ihr Mann ab und Uhse gerät ein Jahr später, nachdem sie mit Sohn und Nanny mittels Flugzeug aus Berlin geflohen war, in britische Kriegsgefangenschaft.


Nach sechs Monaten kommt sie frei, das Fliegen wird ihr als ehemalige Wehrmachtssoldatin verboten. Sie muss sich neu sortieren. Ihre Idee: die sogenannte „Schrift X“ zu

verbreiten, in welcher sie nach der Knaus-Ogino-Methode über Empfängnisverhütung aufklärt. Damit trifft sie den Nerv der Zeit, denn nach dem Krieg ist der Wunsch nach

Kindern nicht gerade groß. Die Nachfrage nach Aufklärung umso größer und innerhalb eines Jahres verkauft sie 32.000 Exemplare.


Der Gewinn soll das Startkapital für ihr Versandunternehmen werden, über das sie Artikel für „Ehehygiene“ vertreibt. Damit stellt sie die Weichen für ein revolutionäres

Geschäftskonzept: das Geschäft mit Erotikartikeln – und fördert damit auch einen offeneren Umgang mit Sexualität in der Gesellschaft. Bis 1971 eröffnet sie 25 Sexshops. Der

Rest ist Geschichte: Das Unternehmen Beate Uhse hat sich nach einem wirtschaftlichen Tief zu Beginn der Nullerjahre aus dem Schmuddelimage herausgearbeitet und steht wieder für das, was Uhse ursprünglich beabsichtigt hatte, nämlich eine gesunde Beziehung zur Sexualität.


Beate Uhse selbst steht aber für mehr als ihr erfolgreiches Unternehmen. Ihre Abenteuerlust und Willensstärke drückte sich nicht nur in ihrem sportlichen Lebensstil aus. Sie überlebte früh ihre Eltern, ihren ersten Mann, einen Flugzeugabsturz, ihren Sohn Klaus sowie eine Magenkrebserkrankung. In vielerlei Hinsicht talentiert, ist sie zur Ikone für Emanzipation, Unternehmensführung und Motorsport geworden.

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